Customer Experience Score: Wie gut funktioniert das digitale Kundenerlebnis bei Versicherungen?
Wie gut schneiden die 50 umsatzstärksten Versicherer beim digitalen Kundenerlebnis in Deutschland ab? Das hat das Münchner Beratungsunternehmen rpc – The Retail Performance Company untersucht und den aktuellen Customer Experience Score veröffentlicht. Dieser CX Score bildet den Reifegrad der digitalen Markenauftritte von Unternehmen ab und zeigt, inwieweit Hersteller die digitalen Voraussetzungen für gute Kundenerlebnisse geschaffen haben. Erarbeitet wurde der CX Score von den Autoren des Praxisleitfadens Customer Centricity mit Unterstützung des Instituts für Marketing der LMU München.
Im Ranking um die beste digitale Customer Experience (CX) in der Versicherungsbranche wird das Siegertreppchen im Jahr 2023 von der Münchener Allianz Gruppe mit einem Gesamtscore von 84 vor der Barmer, der R+V Versicherung und der Techniker Krankenkasse erklommen, die mit einem Score von jeweils 81 knapp dahinter liegen. Den dritten Platz teilen sich die AOK, die Audi BKK, die Ergo, die Knappschaft und die Siemens-Betriebskrankenkasse SBK (Punktzahl 78). Der durchschnittliche CX-Gesamtwert der 50 umsatzstärksten Marken der Versicherungsbranche liegt bei 67.
Von den acht bisher untersuchten Branchen schneiden die Versicherer damit nach der Unterhaltungselektronik am besten ab. Der CX-Score bildet den digitalen Reifegrad der deutschen Markenauftritte von Marken und Herstellern verschiedener Branchen ab. Dabei wird explizit die Umsetzung der Customer Experience (digitales Kundenerlebnis) der analysierten Unternehmen betrachtet.
Wo die Versicherer noch Nachholbedarf haben
Passive Customer Experience: Auffallend stark sind die untersuchten Versicherer bei ihren Online-Angeboten, bei denen der Kunde die Zielgruppe der Unternehmensaktivitäten ist (CX-Passiv). Im Branchenvergleich schneiden die Versicherer mit einem Teilscore von 80 am besten ab. Zum Vergleich: Zweitbeste Branche in diesem Bereich sind die Hersteller von Unterhaltungselektronik, die einen Durchschnittswert von nur 71,2 erreichen. Die volle Punktzahl in diesem Untersuchungsbereich erreichen die Allianz Gruppe, die R+V und die DAK. Diese drei Versicherer lassen in Bezug auf die untersuchten passiven Faktoren keine Wünsche offen und überzeugen durch Funktionen wie einen redaktionell betreuten Blog, aktuelle Nachrichten, individuelle Produkt- bzw. Kaufempfehlungen, Ratgeber zu Produktanwendungen, Einkaufshilfen (z.B. Produktvergleiche) und die direkte Integration von Social Media. Bei weiteren 36 Rankingteilnehmern liegt dieser Wert zwischen 77 und 92. Dies bedeutet, dass gut 70 Prozent der untersuchten Marken nahezu alle Kundenerwartungen in diesem Bereich erfüllen.
Aktives Kundenerlebnis: Kein Unternehmen schafft volle Punktzahl
Trotz des hervorragenden Abschneidens bei den passiven Faktoren zeigt der durchschnittliche CX-Gesamtscore der 50 umsatzstärksten Versicherer mit 67 (von 100), dass noch größere Lücken im Funktionsumfang für das digitale Kundenerlebnis zu schließen sind. Mit Blick auf das gesamte Ranking besteht der größte Handlungsbedarf im Bereich der Funktionen, bei denen die Nutzerinnen und Nutzer eine aktive Rolle einnehmen. Der durchschnittliche Score, der diese aktiven CX-Faktoren bewertet, erreicht beim Gesamtranking einen Subscore von 49.
Die Versicherungsunternehmen haben in den Bereichen, in denen die Kundinnen und Kunden selbst aktiv werden können, den größten Handlungsbedarf bei der digitalen Customer Experience. Die durchschnittliche Bewertung dieser aktiven CX-Faktoren in der Gesamtwertung beträgt 49 von 100 möglichen Punkten. Hier werden also wichtige Online-Angebote, die das digitale Kundenerlebnis positiv beeinflussen, von den Herstellern vernachlässigt.
Bei der aktiven Customer Experience (CX Aktiv) wird im aktuellen Ranking von keinem Unternehmen die volle Punktzahl erreicht. Lediglich die Ergo ist mit einem Wert von 80 im Bereich CX Aktiv sehr gut aufgestellt. Mit einem Score von 70 gehören auch die Allianz Group, die Techniker Krankenkasse, die AOK, die Audi BKK, die Betriebskrankenkasse Mobile und die Axa zu den Besten in dieser Teilkategorie. Dennoch: Beim Blick auf die detaillierten Score-Daten wird deutlich, dass in diesen Bereichen bei der Mehrzahl der untersuchten Marken dringender Verbesserungsbedarf besteht: Für 33 der untersuchten Unternehmen beträgt der CX-Aktiv-Score lediglich 50 oder weniger.
So haben die Kundinnen und Kunden beispielsweise bei keinem Versicherungsunternehmen die Möglichkeit zum Anlegen von Profilen/Accounts (Stichwort Personalisierung). Dabei tragen gerade solche Features maßgeblich dazu bei, dass Unternehmen mehr über die Interessen und Bedürfnisse ihrer Kunden erfahren. Darüber hinaus sucht man bei vielen Anbietern vergeblich nach einem persönlichen Chat/Chatbot, es fehlt die Möglichkeit zum Feedback, es fehlen Angebote zum Kundenservice, es fehlen Produktbewertungen/Erfahrungsberichte oder persönliche Empfehlungen. In diesen Bereichen gibt es zum Teil noch eklatante Lücken in der digitalen Customer Experience. Das Potenzial, hier relevante Kundendaten zur weiteren Verbesserung des Kundenerlebnisses und zur Bereitstellung kundenzentrierter Angebote zu sammeln, wird von den Unternehmen noch wenig genutzt.
Point of Sale: Viele setzen auf Dienstleister und Agenturen
Auch in den Einzelauswertungen wird deutlich, dass sich für Versicherer auf der Suche nach einer Verbesserung des Kundenerlebnisses ein Blick auf ihre digitalen Vertriebsaktivitäten lohnt. Die Mehrheit der 50 Unternehmen, die in den Bereichen E-Commerce und Services gelistet sind, weist Optimierungsbedarf auf, um die eigene Customer Experience zu verbessern. Während 16 der analysierten Unternehmen alle Versicherungsprodukte auch online anbieten, bieten zehn Marken keine oder nur eine kleine Auswahl ihres Produktportfolios digital an.
Diese Unternehmen setzen beim Verkauf/Abschluss auf ihre Dienstleister (Berater, Agenturen) vor Ort. Der Durchschnittswert für den digitalen POS in der Versicherungsbranche ist mit 67 relativ niedrig. Zum Vergleich: Die Hersteller von Unterhaltungselektronik erreichen bei der Bewertung ihrer digitalen Vertriebsaktivitäten einen durchschnittlichen Score von 84, die Hersteller von Sport und Outdoor werden sogar mit einem Score von 85 bewertet.
Bei rpc – The Retail Performance Company handelt es sich um ein Beratungsunternehmen, das Unternehmen bei vertrieblichen Fragestellungen unterstützt. Die gesamte Auswertung ist auf Anfrage beim Unternehmen erhältlich.